Gruppentherapie hat meines Erachtens zu unrecht den Ruf einer Therapie zweiter Klasse. Tatsächlich hat die Gruppenpsychotherapie viele Vorteile gegenüber der Einzeltherapie.
Hierzu gehört z.B. das Gemeinschaftsgefühl, das in einem solchen Gruppensetting entstehen kann und vielen Menschen heutzutage fehlt.
In unserer heutigen Welt ist es leider nicht mehr selbstverständlich, sich wirklich verbunden mit einer Gruppe zu fühlen.
Bis vor ca. zwei Generationen war es normal in einer Gemeinschaft zu leben – ob in einer Großfamilie oder noch früher in einem Stamm. Heute leben wir in einer Welt, in der so viele Menschen wie nie zuvor existieren. Trotz dieses Überangebots an potentiellen sozialen Kontakten, ist Einsamkeit ein sehr präsentes Thema.
Woran liegt das?
Meines Erachtens mangelt es nicht an den Menschen, sondern an der Tiefe der Begegnung und Verbundenheit. Die sozialen Gruppierungen, in denen wir uns befinden, sind oftmals nur oberflächlicher Natur, in der keine Begegnung auf tieferer Ebene stattfinden (z.B. Arbeitskollegen, Kommilitonen, oder sogar der Freundes- und Familienkreis).
Viele Menschen verbergen in ihren sozialen Gruppierungen bestimmte Seiten von sich, da sie befürchten dafür verurteilt oder gar ausgegrenzt zu werden. Dies kann an negativen Erfahrungen aus der Vergangenheit liegen oder daran, dass sie sich in einer Gruppe befinden, in der Ehrlichkeit und Verletzlichkeit keinen Raum bekommen.
Somit ist eine Gemeinschaft, in der Menschen sich so zeigen können, wie sie wirklich sind und in denen die Mitglieder einander aufmerksam zuhören und wertschätzen leider eine Seltenheit.
In der Gruppentherapie herrschen bestimmte Werte, die dafür sorgen, dass sich alle voreinander menschlich zeigen können und dabei Verständnis und Wertschätzung ernten. Viele kennen einen solchen achtsamen Umgang untereinander nicht. Für diese Menschen kann ein solches Gruppensetting deshalb ein Türöffner sein in ein neues Verständnis und eine neue Erfahrung von Gemeinschaft.
Das Gefühl, Teil einer Gruppe zu sein, in der sich jeder so zeigen kann, wie er wirklich ist, kann sehr heilsam sein und eine wertvolle Stütze bei seelischen Herausforderungen darstellen.
Ich glaube, dass eine Gruppe, die auf solchen Werten beruht nicht nur für seelisch kranke Menschen hilfreich sein kann. Ich behaupte, tief in uns haben wir alle dieses ursprüngliche Bedürfnis nach einer Gruppenzugehörigkeit, in der nicht nur unsere positiven Gefühle einen Platz bekommen, sondern unser ganzes Menschsein.