Was ist der ,,Human Circle“?

Der Human Circle ist ein von mir entwickeltes Konzept für eine bestimmte Form der Begegnung zwischen mindestens zwei Menschen. Die Art und Weise sowie der Ablauf dieser Begegnung orientieren sich an sechs Prinzipien, die auf dieser Seite erläutert werden.

In den letzten acht Jahren habe ich verschiedene Gruppen zur Steigerung von seelischer Gesundheit initiiert und geleitet. Als Leiter habe ich Verschiedenes ausprobiert und auch als Teilnehmer in einigen Kreisen konnte ich wertvolle Erkenntnisse gewinnen. Aus all meinen Erfahrungen habe ich die folgenden sechs Werte herausgearbeitet, die zu einem möglichst angenehmen und dem seelischen Wohl dienenden Gruppenerlebnis beitragen sollen.

Mit dem Wort ,,Human“ möchte ich verdeutlichen, dass in dieser Begegnung unser Menschsein mit all seinen ,,positiven“ wie ,,negativen“ Facetten im Fokus steht. Es geht darum unserer Innenwelt, also unseren Gedanken, Gefühlen, Körperempfindungen, Persönlichkeitsanteilen und Lebenssituationen achtsam und wertschätzend im Hier und Jetzt zu begegnen.

Der ,,Circle„, also Kreis stellt hierbei einen sicheren und vertraulichen Rahmen dar, in dem wir unser Menschsein kennenlernen und frei zur Entfaltung bringen können. Gleichzeitig möchte ich mit dem Begriff ,,Circle“ hervorheben, dass wir uns respektvoll und auf Augenhöhe begegnen und dadurch eine tiefere und ursprünglichere Form der Gemeinschaft entwickeln können.

Die folgenden sechs Prinzipien dienen als Fundament bei meinen beiden Gruppen:

  1. Human Circle – Selbsterfahrungsgruppe
  2. Human Circle – Therapiegruppe

1. Sicherheit

Damit Menschen sich öffnen und sich um ihre Seele kümmern können, ist es zunächst entscheidend, dass sie sich sicher fühlen. Der Human Circle ist deshalb ganz bewusst ein Schutzraum, also ein Raum, in dem Menschen sich sicher fühlen können vor jeglicher Verurteilung, Manipulation, Stigmatisierung und Gewalt. Ein respektvoller Umgang miteinander ist somit die Grundabmachung.

Außerdem finden die Termine abgeschirmt statt, sodass keine Außenstehenden zuhören und zusehen können: in meinem Praxisraum. (Eine Ausnahme wäre, dass wir uns für eine Übung in die Öffentlichkeit begeben. Dies wäre aber nur eine Option, wenn jeder damit einverstanden ist.)

Zu guter Letzt gilt das Gebot der Schweigepflicht für jeden Teilnehmer. Jegliche Informationen, die in der Gruppe geteilt werden, bleiben dort – inklusive der Namen der Teilnehmer. Natürlich kann jeder Beteiligte von seinen eigenen Prozessen, die bei den Treffen ablaufen, berichten.

2. Wertschätzung

Die Gruppe ist ein Raum der Wertschätzung: Alle Gedanken, Gefühle, Körperempfindungen, Persönlichkeitsanteile, etc. dürfen da sein. Der Kreis vermittelt: Du bist gut so wie du bist; Du bist vollständig.

Die Grundannahme dahinter ist, dass jeder Mensch zu 100% wertvoll und vollständig ist – mit allen Persönlichkeitsaspekten, die zu ihm gehören. Auch ,,negative“ Gedanken, Gefühle, Verhaltensweisen, Lebenssituationen, etc. werden als wertvoll angesehen, aufgrund folgender persönlicher Erkenntnisse, die ich im Rahmen meiner eigenen seelischen Herausforderungen gewonnen habe:

1. Auch wenn es unangenehm ist: Das Gefühl/ der Gedanke/ die Situation ist gerade da. Dies ist meine aktuelle Realität.

2. Nicht das reine Vorhandensein eines unangenehmen Zustands ist die Ursache für das Leid, sondern der innere (oftmals unbewusste) Kampf dagegen. Dieser Versuch den negativen Aspekt loszuwerden ist ganz natürlich, ganz menschlich, führt aber zu vermeidbarem psychischen oder körperlichen Leid.

3. In jedem vermeintlich ,,negativen“ Aspekt kann ich etwas ,,Positives“ entdecken, wenn ich bereit dazu bin.

Eine Intention des Human Circles ist folgende: Die Mitglieder finden mehr und mehr einen wertschätzenden Umgang mit sich selbst, inklusive all der vermeintlich ,,negativen“ Aspekte und geben damit mehr und mehr den inneren Kampf gegen sich selbst auf.

Nicht nur die eigene Innenwelt wird vom Raum der Wertschätzung berührt. Auch mit den anderen Gruppenmitgliedern pflegen wir einen wertschätzenden Umgang. Dieser ist unabhängig vom äußeren Erscheinungsbild, der Vergangenheit, sowie des religiösen, politischen, kulturellen, finanziellen oder gesundheitlichen Hintergrunds des Einzelnen.

3. Achtsamkeit

Mit Achtsamkeit ist die bewusste Wahrnehmung des Hier und Jetzt gemeint: Was passiert gerade in meinem Inneren? Welche Gedanken, Gefühle, Körperempfindungen sind gerade da? Und was passiert gerade im Außen? Was sehe, höre, fühle, rieche, schmecke ich gerade?

Es gibt drei feste auf Achtsamkeit beruhende Bestandteile des Human Circles:

1. Eine Achtsamkeits- bzw. Selbsterfahrungsübung, also eine Übung, die den Gruppenmitgliedern hilft, Kontakt mit sich selbst aufzunehmen bzw. in den jetzigen Moment zurückzufinden.

2. Der achtsame Austausch im Kreis: Hierbei üben die Gruppenmitglieder demjenigen, der gerade spricht, aufmerksam zuzuhören und gleichzeitig möglichst bei sich selbst zu bleiben und sich selbst zu beobachten.

3. Der Achtsamkeitsstein: Inspiriert von der indianischen Tradition handelt es sich hierbei um einen Stein, der reihum gegeben wird. Dieser Gegenstand hilft, die Aufmerksamkeit auf eine Person zu bündeln. Solange die Person diesen Gegenstand in den Händen hält, geht es nur um diesen Menschen. Jegliche Rückmeldungen seitens der anderen (falls vom Redner gewünscht) sollen sich auf diesen Menschen beziehen. Der Gegenstand ist jedoch keine Verpflichtung etwas sagen zu müssen, sondern eine Einladung, die Aufmerksamkeit auf sich selbst zu richten und wahrzunehmen, ob da etwas aus dem Inneren kommt, was der Mensch gerne teilen möchte. Wenn nichts hochkommt oder die Bereitschaft es zu teilen, fehlt, kann der Stein einfach ohne etwas zu sagen weitergegeben werden.

4. Gemeinschaft

Der Human Circle ist ein Raum, in dem Gemeinschaft und Verbindung auf einer tieferen und ursprünglicheren Ebene erfahren werden kann. Eine derartige Tiefe der Verbindung fehlt vielen Menschen heutzutage. Die Kontakte in den eigenen sozialen Gruppierungen sind oftmals nur oberflächlicher Natur. Das eigene Innenleben findet dort bei vielen Menschen nur wenig Beachtung.

Außerdem ist der Human Circle eine Möglichkeit außerhalb der eigenen sozialen Kreise Gemeinschaft zu erfahren – ein neutraler Raum sozusagen. Dies hilft oft dabei sich zu öffnen, da die Informationen nicht an die eigenen sozialen Kreise (wie Familie, Freunde, Arbeitskollegen) gelangen.

Die Gruppe lässt sich in diesem Zusammenhang auch von dem südafrikanischen Wort ,,Ubuntu“ inspirieren. Das Wort bedeutet soviel wie ,,Ich bin, weil wir sind„. Es transportiert das Bewusstsein, dass es mich ohne andere Menschen nicht geben würde. Erst durch andere Menschen werde ich zum Menschen. In der Gruppe können sich die Teilnehmer daran erinnern, dass wir alle miteinander verbunden und aufeinander angewiesen sind.

Erfreulich ist es, wenn sich im Human Circle eine Kultur der gegenseitigen Unterstützung entwickelt und wenn dieser Zusammenhalt vielleicht sogar auch über die Treffen hinaus weiterbesteht. Wenn z.B. ein Gruppenmitglied im Alltag ein offenes Ohr benötigt, könnte die Person in der Gruppe nachfragen, ob jemand für ihn da sein möchte.

5. Ehrlichkeit

Der Human Circle ist ein Raum, in dem die Gruppenmitglieder sich entfalten können und so zeigen können, wie sie wirklich sind. Jeder kann in diesem Kreis üben, zu sich selbst zu stehen und sich ehrlich mitzuteilen, also authentisch zu sein.

Hier ist ein Raum, in dem jeder Teilnehmer die Masken, die er in seinem Alltag trägt, ablegen kann – ganz achtsam und Schritt für Schritt, schließlich ist das oft ein herausfordernder Prozess, der Zeit benötigt.

In diesem Kreis erhält jeder Teilnehmer die Gelegenheit einfach mal auszudrücken, was ihn gerade so beschäftigt im Leben und wie es ihm wirklich geht. Aus meiner Erfahrung tut allein dieses Ausdrücken oft schon sehr gut.

Ehrlichkeit bedeutet hier nicht, dass jeder Mensch immer teilen muss, was in ihm vorgeht. Wenn jemand z.B. gerade nicht teilen möchte, wie es ihm wirklich geht, dann wäre es nicht ehrlich, es trotzdem zu tun. Unsere Masken schützen uns und so ist ein achtsamer und verständnisvoller Umgang damit angesagt.

In diesem sicheren Rahmen können die Gruppenmitglieder auch üben, eigene Bedürfnisse und Grenzen wahrzunehmen und zu kommunizieren. Dies sind sehr bedeutsame Fähigkeiten für ein erfülltes Leben. Dieser Kreis ist somit auch ein Raum zum ungezwungenen Ausprobieren. Im Alltag können die in der Gruppe gewonnenen neuen Fähigkeiten dann umgesetzt werden.

6. Empathie

Sowohl ich als Gruppenleiter bezüglich den Teilnehmern, als auch die Gruppenmitglieder untereinander üben einen möglichst einfühlsamen Umgang.

So gehen wir z.B. generell mit Ratschlägen und Interpretationsversuchen – so gut sie auch gemeint sind – sehr achtsam um. Aus meiner persönlichen Erfahrung und auch der Erfahrung anderer kann es sich sehr grob und wenig einfühlsam anfühlen, wenn sich jemand verletzlich zeigt und von seinen intimen Themen spricht und ein anderer sofort versucht, diese Inhalte zu interpretieren oder Lösungen vorzuschlagen. In diesem Fall wäre ein Ratschlag tatsächlich ein Rat-Schlag.

Gleichzeitig wünschen sich Teilnehmer jedoch manchmal konkrete Rückmeldungen aus der Gruppe zu ihren Äußerungen. Aus diesem Grund hat sich folgende Abmachung bewährt: Grundsätzlich lassen wir geteilte Inhalte so stehen. Wünscht sich jedoch die sprechende Person Rückmeldungen, kann sie diesen Wunsch gerne äußern und die anderen können etwas dazu sagen. Ein anderer Fall wäre folgender: Ein Gruppenmitglied (oder ich) hat einen Impuls zu dem Gesagten. Wenn es sich stimmig anfühlt, kann er/sie die sprechende Person – nachdem sie ausgeredet hat – fragen, ob sie diesen Impuls hören möchte.

Zur Empathie gehört auch folgende Intention: Jeder nimmt nur so viel Raum ein, dass jedes andere Mitglied noch genug Raum bekommt. Damit ist gemeint, dass es nicht empathisch wäre, wenn zum Beispiel eine Person eine halbe Stunde lang von den eigenen Problemen erzählt und dadurch anderen deutlich weniger Zeit für ihre Äußerungen übrig lässt.

Diese Prinzipien sind nicht grundsätzlich gleichzusetzen mit festen Gruppenregeln, gegen die wir ,,verstoßen“ könnten. Sie dienen vielmehr der Orientierung und helfen dabei, uns eine möglichst angenehme und fruchtbare Begegnung zu ermöglichen.

Bei Interesse oder Fragen melde Dich gerne bei mir:

,,Nicht da ist man daheim, wo man seinen Wohnsitz hat, sondern wo man verstanden wird“

(Christian Morgenstern)