Sieben Prinzipien, an denen sich die Gruppe orientiert

In den letzten Jahren habe ich viele Erfahrungen in Gruppen als Leiter und Teilnehmer sammeln können. Dabei haben sich für mich elementare Faktoren für ein möglichst wohltuendes und fruchtbares Gruppentreffen herauskristallisiert: Die folgenden sieben Prinzipien.

Ich bemühe mich in meinen Gruppen- und Einzelsitzungen diese Werte als Therapeut meinen Klienten gegenüber zu leben. Gleichzeitig bitte ich alle Teilnehmer der Gruppentherapien darum, sich diese Werte zu Herzen zu nehmen, damit jeder sich möglichst wohl und wertgeschätzt fühlen kann.

1. Sicherheit

Damit Menschen sich öffnen und sich um ihre Seele kümmern können, ist es zunächst entscheidend, dass sie sich sicher fühlen. Die Gruppentherapie ist deshalb ganz bewusst ein Schutzraum, also ein Raum, in dem Menschen sich sicher fühlen können vor jeglicher Verurteilung, Manipulation, Stigmatisierung und Gewalt. Ein respektvoller Umgang miteinander ist somit die Grundabmachung.

Außerdem finden die Termine abgeschirmt statt, sodass keine Außenstehenden zuhören und zusehen können: in meinem Praxisraum. (Eine Ausnahme wäre, dass wir uns für eine Therapieübung in die Öffentlichkeit begeben. Dies wäre aber nur eine Option, wenn jeder damit einverstanden ist.)

Zu guter Letzt gilt das Gebot der Schweigepflicht für jeden Teilnehmer. Jegliche Informationen, die in der Gruppe geteilt werden, bleiben dort – inklusive der Namen der Teilnehmer. Natürlich kann jeder Beteiligte von seinen eigenen Prozessen, die bei den Treffen ablaufen, berichten.

2. Wertschätzung

Diese Therapiegruppe ist ein Raum der Wertschätzung: Alle Gedanken, Gefühle, Körperempfindungen, Persönlichkeitsanteile, etc. dürfen da sein. Dieser Kreis vermittelt: Du bist gut so wie du bist; Du bist vollständig.

Die Grundannahme dahinter ist, dass jeder Mensch zu 100% wertvoll und vollständig ist – mit allen Persönlichkeitsaspekten, die zu ihm gehören. Auch ,,negative“ Gedanken, Gefühle, Verhaltensweisen, Lebenssituationen, etc. werden als wertvoll angesehen, aufgrund folgender persönlicher Erkenntnisse, die ich im Rahmen meiner eigenen seelischen Herausforderungen gewonnen habe:

1. Auch wenn es unangenehm ist: Das Gefühl/ der Gedanke/ die Situation ist gerade da. Dies ist meine aktuelle Realität.

2. Nicht der unangenehme Zustand an sich ist die Ursache für das Leid, sondern der innere (oftmals unbewusste) Kampf dagegen. Dieser Versuch den negativen Aspekt loszuwerden ist ganz natürlich, ganz menschlich, führt aber zu vermeidbarem psychischen oder körperlichen Leid.

3. In jedem vermeintlich ,,negativen“ Aspekt kann ich etwas ,,Positives“ entdecken, wenn ich bereit dazu bin.

Eine Intention der Gruppentherapie ist folgende: Die Gruppenmitglieder finden mehr und mehr einen wertschätzenden Umgang mit sich selbst, inklusive all der vermeintlich ,,negativen“ Aspekte und geben damit mehr und mehr den inneren Kampf gegen sich selbst auf.

Nicht nur die eigene Innenwelt wird vom Raum der Wertschätzung berührt. Auch mit den anderen Gruppenmitgliedern pflegen wir einen wertschätzenden Umgang. Dieser ist unabhängig vom äußeren Erscheinungsbild, der Vergangenheit, sowie des religiösen, politischen, kulturellen, finanziellen oder gesundheitlichen Hintergrunds des Einzelnen.

3. Achtsamkeit

Mit Achtsamkeit ist die bewusste Wahrnehmung des Hier und Jetzt gemeint: Was passiert gerade in meinem Inneren? Welche Gedanken, Gefühle, Körperempfindungen sind gerade da? Und was passiert gerade im Außen? Was sehe, höre, fühle, rieche, schmecke ich gerade?

Es gibt drei feste auf Achtsamkeit beruhende Bestandteile der Gruppentherapie:

  1. Eine Achtsamkeitsübung, also eine Übung, die den Gruppenmitgliedern hilft, Kontakt mit sich selbst aufzunehmen bzw. in den jetzigen Moment zurückzufinden. Ein paar Beispiele:
  • Sitz- oder Gehmeditation
  • Selbstregulationsübungen
  • Qi Gong
  • Einzeichnen der Körperempfindungen
  • Bewegungsmeditation
  • Progressive Muskelrelaxation

2. Der achtsame Austausch im Kreis: Hierbei üben die Gruppenmitglieder demjenigen, der gerade spricht, aufmerksam zuzuhören und gleichzeitig möglichst bei sich selbst zu bleiben und sich selbst zu beobachten.

3. Der Achtsamkeitsstein: Inspiriert von der indianischen Tradition handelt es sich hierbei um einen Stein, der reihum gegeben wird. Dieser Gegenstand hilft, die Aufmerksamkeit auf eine Person zu bündeln. Solange die Person diesen Gegenstand in den Händen hält, geht es nur um diesen Menschen. Jegliche Rückmeldungen seitens der anderen (falls vom Redner gewünscht) sollen sich auf diesen Menschen beziehen. Der Gegenstand ist jedoch keine Verpflichtung etwas sagen zu müssen, sondern eine Einladung, die Aufmerksamkeit auf sich selbst zu richten und wahrzunehmen, ob da etwas aus dem Inneren kommt, was der Mensch gerne teilen möchte. Wenn nichts hochkommt oder die Bereitschaft es zu teilen, fehlt, kann der Stein einfach ohne etwas zu sagen weitergegeben werden.

4. Geborgenheit

Aus meiner Erfahrung hat die Atmosphäre des Raumes einen bedeutenden Einfluss darauf, wie sich jeder fühlt und inwieweit sich die Teilnehmer öffnen können und wollen. Aus diesem Grund schaffe ich zu jedem Treffen eine Wohlfühlatmosphäre, in der sich die Teilnehmer geborgen fühlen und fallen lassen können.

Mögliche Elemente sind z.B.:

  • Wärme und Gemütlichkeit durch genug Decken und (Sitz-)Kissen
  • Eine angenehme Lichtstimmung durch z.B. Kerzenlicht, Salzsteinlampe
  • Passende Hintergrundmusik
  • Angenehmer Raumduft

5. Gemeinschaft

Die Gruppentherapie ist ein Raum, in dem Gemeinschaft und Verbindung auf einer tieferen und ursprünglicheren Ebene erfahren werden kann. Eine derartige Tiefe der Verbindung fehlt vielen Menschen heutzutage. Die Kontakte in den eigenen sozialen Gruppierungen sind oftmals nur oberflächlicher Natur. Das eigene Innenleben findet dort bei vielen Menschen nur wenig Beachtung.

Außerdem ist diese Gruppe eine Möglichkeit außerhalb der eigenen sozialen Kreise Gemeinschaft zu erfahren – ein neutraler Raum sozusagen. Dies hilft oft dabei sich zu öffnen, da die Informationen nicht an die eigenen sozialen Kreise (wie Familie, Freunde, Arbeitskollegen) gelangen.

Die Gruppe lässt sich in diesem Zusammenhang auch von dem südafrikanischen Wort ,,Ubuntu“ inspirieren. Das Wort bedeutet soviel wie ,,Ich bin, weil wir sind„. Es transportiert das Bewusstsein, dass es mich ohne andere Menschen nicht geben würde. Erst durch andere Menschen werde ich zum Menschen. In der Gruppentherapie können sich die Teilnehmer daran erinnern, dass wir alle miteinander verbunden und aufeinander angewiesen sind.

Erfreulich ist es, wenn sich in der Gruppe eine Kultur der gegenseitigen Unterstützung entwickelt und wenn dieser Zusammenhalt vielleicht sogar auch über die Treffen hinaus weiterbesteht. Wenn z.B. ein Gruppenmitglied im Alltag ein offenes Ohr benötigt, könnte die Person in der Gruppe nachfragen, ob jemand für ihn da sein möchte.

6. Ehrlichkeit

Die Gruppe ist ein Raum, in dem die Gruppenmitglieder sich entfalten können und so zeigen können, wie sie wirklich sind. Jeder kann in diesem Kreis üben, zu sich selbst zu stehen und sich ehrlich mitzuteilen, also authentisch zu sein.

Hier ist ein Raum, in dem jeder Teilnehmer die Masken, die er in seinem Alltag trägt, ablegen kann – ganz achtsam und Schritt für Schritt, schließlich ist das oft ein herausfordernder Prozess, der Zeit benötigt.

Hier ist ein Raum, in dem jeder diese Zeit bekommt und einfach mal ausdrücken darf, was ihn gerade so beschäftigt im Leben und wie es ihm wirklich geht. Aus meiner Erfahrung tut allein dieses Ausdrücken oft schon sehr gut.

Ehrlichkeit bedeutet hier nicht, dass jeder immer teilen muss, was in ihm vorgeht. Wenn jemand z.B. gerade nicht teilen möchte, wie es ihm wirklich geht, dann wäre es nicht ehrlich, es trotzdem zu tun. Unsere Masken schützen uns und so ist ein achtsamer und verständnisvoller Umgang damit angesagt.

In diesem sicheren Rahmen können die Gruppenmitglieder auch üben, eigene Bedürfnisse und Grenzen wahrzunehmen und zu kommunizieren. Dies sind sehr bedeutsame Fähigkeiten für ein erfülltes Leben. Dieser Kreis ist somit auch ein Raum zum ungezwungenen Ausprobieren. Im Alltag können die in der Gruppe gewonnenen neuen Fähigkeiten dann umgesetzt werden.

7. Empathie

Sowohl ich als Therapeut bezüglich den Teilnehmern, als auch die Gruppenmitglieder untereinander üben einen möglichst einfühlsamen Umgang.

So halten wir uns z.B. generell mit Ratschlägen und Interpretationsversuchen – so gut sie auch gemeint sind – zurück. Aus meiner persönlichen Erfahrung und auch der Erfahrung anderer kann es sich sehr grob und wenig einfühlsam anfühlen, wenn sich jemand verletzlich zeigt und von seinen intimen Themen spricht und ein anderer sofort versucht, diese Inhalte zu interpretieren oder Lösungen vorzuschlagen. In diesem Fall wäre ein Ratschlag tatsächlich ein Rat-Schlag.

Gleichzeitig wünschen sich Teilnehmer jedoch manchmal konkrete Rückmeldungen aus der Gruppe zu ihren Äußerungen. Aus diesem Grund hat sich folgende Abmachung bewährt: Grundsätzlich lassen wir geteilte Inhalte so stehen. Wünscht sich jedoch die sprechende Person Rückmeldungen, kann sie diesen Wunsch gerne äußern und die anderen können etwas dazu sagen. Ein anderer Fall wäre folgender: Ein Gruppenmitglied (oder ich) hat einen Impuls zu dem Gesagten. Wenn es sich stimmig anfühlt, kann er/sie die sprechende Person – nachdem sie ausgeredet hat – fragen, ob sie diesen Impuls hören möchte.

Zur Empathie gehört auch folgende Intention: Jeder nimmt nur so viel Raum ein, dass jedes andere Mitglied noch genug Raum bekommt. Damit ist gemeint, dass es nicht empathisch wäre, wenn zum Beispiel eine Person eine halbe Stunde lang von den eigenen Problemen erzählt und dadurch anderen deutlich weniger Zeit für ihre Äußerungen übrig lässt.

Bei Interesse oder Fragen melde Dich gerne bei mir:

,,Nicht da ist man daheim, wo man seinen Wohnsitz hat, sondern wo man verstanden wird“

(Christian Morgenstern)